einblicke-ausblicke
Guten-Abend-Gottesdienst in Wangen.
Zweimal im Jahr laden wir ein zu einblicke-ausblicke.
Ein Gottesdienst sonntags um 18.00 Uhr.
Im Mittelpunkt stehen aktuelle Fragen und Themen des Glaubens, die uns umtreiben.
Dazu laden wir jeweils einem Gast ein, mit dem wir im Gottesdienst auch ins Gespräch kommen.
Unser Gottesdienstteam ist: Ursula Maier, Barbara Mobley, Peter Reif, Carmen Strölin und Pfarrer Joachim Wolfer.
Locker geht es auch bei der Musik zu. Alles wird eingestimmt und begleitet von inside-out.
inside out sind: Jenny Sprenger-Müller (Gesang), Ulrike Schwarz (Saxofon), Benjamin Gulz (Piano), Joachim Wolfer (Gitarre), Mychaela Graf (Bass), Werner Zondler (Schlagzeug), André Gaspar (Percussion)
Wenn auch Sie Lust an der Vorbereitung und Durchführung solcher Gottesdienste haben, melden Sie sich bitte bei Pfarrer Joachim Wolfer.
Sonntag, 17. März 2024, 18.00 Uhr, Michaelskirche
Thema: Moderne Medizin UND Menschlichkeit
Gast: Bernd Rühle, Geschäftsführer Diakonie-Klinikum Stuttgart
Musik: inside-out
Wer krank ist, ist bedürftig. Wer krank ist, freut sich über ein gutes Wort, über einen Teller Suppe und ein Lächeln.
Krank sein heißt angewiesen sein: angewiesen sein auf Zuwendung, auf Hilfe, auf andere Menschen.
Die Sorge um die Kranken war schon immer ein christliches Anliegen. Im Neuen Testament lesen wir viele Geschichten, in denen Jesus Kranke heilt. In diesen Geschichten sieht Jesus immer den ganzen Menschen. Er sieht ihn in seiner körperlichen und auch in seiner seelischen Bedürftigkeit.
Manchmal vermissen wir das in den modernen Krankenhäusern. Da wird zwar professionell operiert und es werden fachkundig Medikamente verabreicht, aber die Ärztin oder der Krankenpfleger haben nur wenig Zeit, um Fragen zu beantworten. So mancher Patient fühlt sich nicht gesehen und nicht ernstgenommen. Und das, obwohl Studien beweisen, dass die Arzt-Patienten-Beziehung und das Vertrauen in die behandelnde Person einen erheblichen Anteil an den Heilungschancen ausmachen. Fachkräftemangel, wirtschaftliche Zwänge und Fallpauschalen werden als Grund genannt, weshalb dem einzelnen Patienten nicht ausführlicher Aufmerksamkeit und Zeit geschenkt werden kann.
Umso mehr verwundert es, dass das Diakonieklinikum in Stuttgart,– trotz aller Widrigkeiten – genau diese Dinge zum Leitbild erklärt hat: „Moderne Medizin UND Menschlichkeit“, „Professionelle Pflege UND menschliche Zuwendung“.
Wie kann das gehen, frage ich mich. Das Diakonieklinikum ist doch denselben wirtschaftlichen Bedingungen unterworfen wie andere Krankenhäuser auch!
Wie kommt es, dass sich viele Patienten dort als Mensch gesehen fühlen mit all ihren Fragen und Kümmernissen rund um ihre Krankheit?
Wie kommt es, dass es dort ehrenamtliche Mitarbeitende gibt, die speziell dafür ausgebildet werden, um mit den Menschen am Krankenbett zu sprechen?
Gibt es dort strukturelle Bedingungen, die es dem einzelnen Mitarbeitenden eher erlauben, sich Zeit zu nehmen?
Was macht das Besondere des Diakonieklinikums aus? Weht dort einfach ein anderer Geist? Der Heilige Geist?
Diese und viele andere Fragen werden wir Herrn Rühle am 17. März stellen. Herr Rühle ist Betriebswirt und Krankenhausbetriebswirt, seit 2011 Geschäftsführer des Diakonieklinikums und am 17. März Gast unseres einblicke-ausblicke-Gottesdienstes.
Wir freuen uns auf das Gespräch mit ihm.
RÜCKBLICK
Sonntag, 19. März 2023, 18.00 Uhr, Michaelskirche
Thema: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Seelsorge am Telefon.
Gast: Frau Martina Rudolph-Zeller
Musik: Band inside-out
Leitartikel Gemeindebrief März 2023:
Und Gott sprach:
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“
Die meisten von uns kennen dieses Zitat aus dem Schöpfungsbericht und die meisten von uns würden dem wohl auch zustimmen.
Wobei, es ist ja nicht das Alleinsein, das quälend ist, sondern es ist die Einsamkeit.
Warum ist ein Mensch einsam?
Vielleicht, weil er oder sie keinen Partner hat, keine Partnerin, vielleicht keine Familie, keine Freunde und Freundinnen, keine ehrenamtliche Gruppe, keine Kollegen? Genauso gibt es aber auch Menschen, die sich IN ihrer Partnerschaft einsam fühlen, die IN ihren Familien einsam sind mit ihren Gedanken, Gefühlen und Entscheidungen.
Einsamkeit hat also nicht nur mit der An- und Abwesenheit anderer Personen zu tun, sondern es ist ein Zustand der Nichtverbundenheit, der als schmerzhaft erlebt wird. Gott hat deshalb im Zuge seiner Schöpfungstätigkeit auch gleich eine Idee: „Ich will dem Menschen eine Hilfe schaffen als sein Gegenüber!“
Bei manchen Menschen mag das der Partner/die Partnerin sein (deshalb wird der Bibeltext auch oft bei Trauungen gelesen), bei manchen sind es Freunde, Bekannte, die Familie und bei manchen.... – ja da gibt es dieses Gegenüber kaum oder gar nicht. Oder vielleicht einfach an einem Tag oder in manchen Momenten nicht.
Das aber ist genau der Auftrag, den sich die evangelische Telefonseelsorge selbst gegeben hat: Ein Gegenüber sein. Ein Gegenüber für Menschen in Situationen, in denen sie es besonders brauchen. Zum Beispiel, wenn sie eine Entscheidung treffen müssen, wenn ein Konflikt sie plagt, wenn sie einen Menschen, einen Arbeitsplatz oder etwas anderes Wichtiges verloren haben, oder schlicht: wenn sie die Einsamkeit nicht mehr aushalten. Anrufen darf jede und jeder. In 24 Stunden pro Tag an 365 Tagen im Jahr sitzen die mehr als hundert ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der evangelischen Telefonseelsorge am Telefon, hören zu, denken mit, fühlen mit, manchmal leiden sie auch mit.
Wir freuen uns, dass wir Frau Martina Rudolph-Zeller als Gast für unseren einblicke-ausblicke-Gottesdienst am 19. März gewinnen konnten. Sie ist Diplom-Sozialpädagogin, Paar- und Familientherapeutin, seit 2014 bei der TelefonSeelsorge Stuttgart und seit 2019 Leiterin der Geschäftsstelle. Wir sind gespannt, was sie uns über diesen wichtigen Tätigkeitsbereich und die damit verbundenen Herausforderungen berichten wird.
Carmen Strölin, Joachim Wolfer
Sonntag, 20. März 2022, 18.00 Uhr, Michaelskirche
Die Sehnsucht nach Sinn
„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“ – ein steiler Satz!
Aber Viktor E. Frankl, der diesen Ausspruch prägte, wusste, wovon er redet. Der 1905 in Wien geborene jüdische Psychiater und Neurologe wurde 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Im Laufe der nächsten Jahre verlor er durch die Ermordungen in den Gaskammern fast seine ganze Familie. Er überlebte und machte seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Zeit im KZ zur Grundlage seiner von ihm gegründeten Psychotherapieschule: Wer für sich einen Sinn im Leben gefunden hat, wer ein Ziel hat, auf das er hinlebt, wer sich für dieses Ziel einsetzt und sich gebraucht fühlt, der ist widerstandsfähiger und belastbarer, sowohl körperlich wie seelisch. Sinn, so sagt Frankl, ist für den Menschen von genauso existentieller Bedeutung wie der Wunsch nach Verbundenheit und Liebe. Ein sinnvolles Leben zu führen ist ein mensch-
liches Grundbedürfnis. Dabei geht es ihm nicht um einen allgemeinen, abstrakten „Sinn des Lebens“, sondern um den Sinn jedes einzelnen Individuums. „Wo ist mein Platz im Leben?“, „Welche Taten erwartet das Leben von mir?“, „Was genau ist das, was ich als individuelle Person mit meinen Fähigkeiten dem Leben geben kann?“ oder: „Wo besteht meine Aufgabe darin, das, was mir Schmerzliches widerfährt, zu tragen und einen Umgang damit zu finden?“ Ja, auch eine Einstellung zu einer unab-wendbaren Sache zu finden, kann für Frankl ein sinnvoller Akt sein.
Solche und ähnliche Fragen sind für ihn von größter Bedeutung, um psychisch gesund – und vor allem gern – durch das Leben zu gehen.
Ich nehme dieses Bedürfnis, diese Sehnsucht nach Sinn, in unserer Gesellschaft in unterschiedlichen Facetten wahr: Als resignierte Sehnsucht zum Teil bei älteren Menschen, „mich braucht ja niemand mehr“, als kraftlose Sehnsucht bei Jugendlichen „die Erde läuft auf den Abgrund zu, was soll ich daran ändern?“, aber auch als belebende, erfüllte Sehnsucht bei Menschen, die ihren Platz gefunden haben, „ich weiß, dass das, was ich tue, wichtig ist.“
Als Christen glauben wir, dass wir von Gott in diesem Leben begleitet sind. Aber wissen wir immer, was gerade jetzt von uns selbst gefordert ist?
In den Geschichten von Jesus hören wir, wie er sich immer ganz persönlich einem Menschen, dessen Bedürfnissen und existentiellen Fragen zuwendet.
Frau Boglarka Hadinger, unser nächster Einblicke-Ausblicke-Gast, wurde 1955 in Budapest geboren und ist Psychologin und Lehrtherapeutin in der von Frankl begründeten „Logotherapie und Existenzanalyse“. Einer ihrer herausgegebenen Buchtitel heißt „Mut zum Leben machen“. Ich freue mich, wenn sie uns in diesem Gottesdienst bei unserer Sehnsucht nach Sinn abholt und uns damit Mut zum Leben macht.
Carmen Strölin
Für diesen Gottesdienst ist eine Anmeldung erforderlich:
Pfarramt: 0711 422125 oder Gemeindebbüro: 0711 427517 oder online.
Sonntag, 24. Oktober 21, 18.00 Uhr , Michaelskirche
Was ist ein gelunges Leben?
Gast: Oberkirchenrat i.R. Dieter Kaufmann
Musik: band inside-out
„Meine Tochter hat beim Abitur einen Preis gewonnen!“, „In meinem Haushalt ist alles piccobello!“, „Wir fahren jedes Jahr in unser Ferienhaus nach Frankreich.“
Liebe Gemeinde, das sind alles schöne Dinge. Und noch schöner, wenn sich ein Mensch darüber von Herzen freuen kann. Aber manchmal kippt es. Dann MUSS der Urlaub nicht nur erholsam, sondern auch vorzeigbar sein. Dann MUSS die Wohnung nicht nur gemütlich, sondern im neuesten Trend und blitzsauber sein. Und dann MÜSSEN die Kinder, auch wenn wegen Corona die Schule am PC stattfindet, trotzdem denselben Stoff bewältigen wie vorher. Sie könnten ja sonst ein Jahr „verlieren“. Ist ein Jahr „verloren“, weil ich den Schulabschluss ein Jahr später mache? Wie geht das eigentlich: „Ein Jahr verlieren?“
Unser Gast im einblicke-ausblicke-Gottesdienst ist der ev. Theologe Dieter Kaufmann. Jetzt im Ruhestand, war er früher Dekan in Esslingen und wechselte von dort in den Vorstand des diakonischen Werkes Württemberg e.V. und leitete auch unsere Landes-kirche mit. Er gehört auch dem Rat der EKD an. Schon lange setzt sich Kaufmann in der Diakonie mit solchen Fragen auseinander. Er spricht von einem zunehmenden „Lebens- und Optimierungsdruck“. Ständig muss alles besser-weiter-höher-schneller werden. Ich muss aus meinem Leben das Beste herausholen.
Aber was ist das Beste?.......
Was ist mit den Benachteiligten?....
Wir freuen uns auf den Gottesdienst mit
Oberkirchenrat i.R. Dieter Kaufmann.
„Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ Was macht die Corona-Zeit mit unserem Glauben?
Sonntag, 25. Oktober 2020, 18.00 Uhr, Gemeindehaus
Gast: Landesbischof Dr. Frank Otfried July
Musik: inside-out
In Coronazeiten wollen wir mit dem Landesbischof die Jahreslosung 2020 „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ noch einmal in den Mittelpunkt stellen und uns fragen: „Was macht die aktuelle Zeit mit unserem Glauben?“ Uns war bei dem Gottesdienst-Thema wichtig, dass wir Bischof July nicht zu allgemeinen kirchen-politischen Fragen, wie etwa „Was macht die Krise mit der Kirche?“
befragen wollen, obwohl das bestimmt auch interessant wäre. Wir wollen tiefer fragen, wir wollen ans Eingemachte.
An den Glauben. Unseren Glauben machen wir nicht selbst, er ist wunderbarerweise ein Geschenk. Aber Geschenke pflegen wir auch oder werfen sie achtlos weg. Nicht erst die Coronakrise setzt unserem Glauben zu, und die alten Texte unserer Bibel erzählen ja eindrücklich: Glaube ist schon immer in der Spannung zwischen Zuversicht und Zweifel. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“, ist zwar aktuell, aber schon damals ein Ruf mitten aus dem Herzen eines verzweifelten und doch hoffenden Menschen!
Wir freuen uns sehr, dass unser Landesbischof uns für diesen Gottesdienst zugesagt hat und sind gespannt auf seinen Impuls, sowie auf das anschließende Gespräch im Gottesdienst.
Fasten – was, wer, wie, warum ... www. Fastengedanken von Schwester M. Vera Perzi osf
Nun hat uns „Corona“ (übersetzt – Krone) einen Strich durch viele Rechnungen gemacht. So viel ist nicht möglich, in so vielem werden wir beschnitten, in so vielem müssen wir uns selbst beschneiden So was nennen wir sonst allgemein „Fasten“.
Deswegen für alle, die wollen, die Fasten-Worte schriftlich. Vielleicht ist ja was dabei, das Ihnen genau in dieser aktuellen Situation hilft:
Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens fastet Jesus in der Wüste. Warum? Bevor er öffentlich auftritt, braucht er Gewissheit:
Er braucht Gewissheit, wozu er da ist, was er denn soll.
Und er braucht vor allem eine unzerstörbare Beziehung zu seinem Vater im Himmel, er muss verwurzelt sein in Gott!
Aber wie ist das mit uns? Haben wir Wurzeln? – In Gott? Deswegen gibt es die Fastenzeit, damit wir Wurzeln bekommen, Wurzeln, die Ostern erst für uns möglich machen.
Und was ist zu tun in dieser Fastenzeit? Wozu und wie sollen wir fasten?
Fasten – wenn sie dieses Wort hören – woran denken sie?
Fasten... Vielleicht, wie heute meistens gebraucht: Abnehmen, gute Figur haben, keine Schokolade, kein Alk, keine Zigaretten, Selbstkasteiung, - ach so Sport – oh je!
Oder vielleicht... nicht schminken, nicht tanzen, Spaßbremse... Ramadan – ups, verirrt, die falsche Religion bedient, aber öffentlich ist das besser geübt als Fastenzeit.
Moralkomplex – nun, so kann Fasten wohl wirklich vor allem Komplexe machen: du bist nicht gut genug, du hältst nicht durch, dir mangelt’s an Glauben, an gutem Willen... ach, an allem.
Das ist wohl der beste Weg, dass Religion ganz bestimmt nicht hilfreich ist und schon gar nicht zu Glauben, zu einer liebevollen Gottesbeziehung führt.
Also setze ich mal statt diesem Reizwort ein anderes ein:
Ankern! Vor Anker gehen.
Was fällt ihnen dazu ein?
Schiff... Meer... Hafen... Reisepause... Waren löschen, neue Waren aufnehmen, vielleicht kleine Reparaturen oder auch größere... Sicherheit...?
Aber – ist das Bildwort nun hilfreich für „Fasten“ für uns?
Wir müssen dann als Die haben, dass unser Leben eine Art Schiffsreise ist, auf dem Meer oder auf einem großen See, vielleicht manchmal sogar auf Wildwasserflüssen.
Und da gibt’s so manche Stürme, ungeschickten Gegenwind; und nicht zu vergessen, auf See könnte es auch Seeschlachten zu bestehen geben,
wir können uns so ziemlich verausgaben an Energie, Nahrung... da wird unser Lebensschiff schon mal leer, abgenutzt, beschädigt...
Ankern! Vor Anker gehen!
Unser Lebensschiff hat ja wirklich eine Menge Stürme zu bestehen: Stress im Alltag, schwierige Beziehungen, Schicksalsschläge, große Aufgaben... der strenge Chef, die zickige Nachbarin, Ehekrach... und nicht jedes Fahrwasser, in das wir da so geraten, ist auch gut für uns, manches zeiht uns runter, macht uns traurig, mutlos...
Und wenn ich ehrlich bin, feiert auf meinem Schiff auch manchmal so ne „linke Ratte“, dass sie zu wenig beaufsichtigt ist....
Haben sie auch so Schädlinge an Bord?... die Krähe, die anderen auch mal die Augen aushacken möchte; die bissige Maus, die den anderen selbst noch den Käse neidet, den sie produzieren; den Papagei, der redet, bevor er denkt – er denkt ja nie...
Und kennen sie das auch – meine Seele streunt wegen all der Belastung manchmal so herum, ziemlich nutzlos ist sie in allen Himmelsrichtungen unterwegs. Ich verliere dann aus dem Blick, was wirklich gut für mich ist, wo ich eigentlich hinwollte, wo ich mich entwickeln sollte...
Und vor allem verliere ich manchmal durch innere oder äußere Angriffe aus dem Blick, wer ich bin, was meine Kompetenzen sind und was nicht; und ich verliere mein Ziel aus dem Blick, und... ich verliere aus dem Blick, wer wirklich wichtig ist für mich und wo ich ihn finde.
Wo finde ich den Einen, der Ziel und Grund meines Lebens ist?
Spätestens dann ist es Zeit, mal wieder vor Anker zu gehen.
Aber wie könnte das konkret aussehen?
Klar, mit Essen kann das auch zu tun haben. Wir alle haben die Erfahrung, dass wir nach einem üppigen – also vielleicht zu üppigen – Mahl ziemlich schlapp sind – in Serie mindert das die Lebenskraft.
Wenn wir uns dagegen nichts gönnen, nichts gönnen wollen oder gar können, mindert das die Lebensfreude – und unsere soziale Verträglichkeit.
Von beidem gibt es daher auch eine Form des Fastens:
Gezieltes Weglassen von Speisen ist am Anfang anstrengend, hilft aber dem Körper, zu so einer Art Großputz im Haushalt und macht Geist, Seele, Leib frei und frisch – voll coole Erfahrung!
Aber gezielt eine übertriebene Genussbremse mal auszuschalten ist am Anfang ebenso anstrengend und befreit eben auch!
Vor Anker gehen kann aber auch heißen, wegzulassen, was mich von mir gerade ablenkt. Vielleicht muss der Fernseher dann noch ab und zu aus sein, für manche oder besondere Zeiten am Tag. Das fängt vielleicht beim Dauer-Handy-Handling an, geht beim Fernsehen weiter, vermindert oder stoppt die Dauer-Musik- und Radio-Berieselung... und vielleicht müssen wir auch mal unsere sonstigen Kontakte unter die Lupe nehmen, nicht alle sind für unser Reifen hilfreich.
Und nicht nur das, was ich höre und sehe muss mal unter die Lupe genommen werden, sondern auch das, was ich rede... Mit wem rede ich wie? Was will ich mit meinem Reden erreichen? Über wen rede ich... mit welchem Zweck?
Rede ich gut, rede ich ehrlich, bleibe ich beim Reden meinen Überzeugungen, meinen Werten treu?
Und dann waren da noch ein paar Segel einzuholen.
Da sind z.B. die Segel unserer Bedeutsamkeit – also all das, wo wir so wichtig sind, wo man scheinbar ohne uns nicht kann oder so –
oder unserer Minderwertigkeit – das, wo wir uns insgeheim schlecht reden, wo wir uns wie in der zweiten Reihe fühlen, nicht die richtigen sind, zu wenig können...
Wie denken sie insgeheim über sich?
Was steht nach außen auf ihren Segeln?
Sind sie da lauter, stimmt ihr Denken überhaupt mit der Wahrheit überein?
Auf manchen Segeln steht auch Angst: welche Angst treibt mich an? Ist sie wirklich berechtigt? Hat Gott da auch ne Chance?
Vielleicht ist es eben auch gut, das Tauwerk unserer Grundhaltungen mal auseinanderzunehmen:
Ist es wirklich Selbstlosigkeit, die uns treibt oder eher eine Haltung in Richtung Helfersyndrom?
Ist es wirklich wichtig, nötig, was wir da so alles einkaufen oder vertreiben wir damit etwas ganz Anderes, das wir längst mal anschauen sollten?
Was es ist, das sie zu ihrem Ankerplatz führt, das müssen sie selbst entscheiden. Meist ist es das, was etwas unangenehm ist, was einen spontan ein wenig aufgeregt sein lässt, wenn man nur daran denkt...
Tja – und was passiert, wenn wir mit unserem Lebensschiff endlich mal vor Anker liegen?
Wir sind mit uns selbst konfrontiert!
Und das kann ne echte Konfrontation sein!
Da ist es gut, wenn wir jemanden haben, mit dem wir da mal reden können, damit wir nicht vor der eigenen Dunkelheit davonrennen.
Und es ist gut, wen wir dann den Schiffbaumeister an Bord lassen. Der ist ja wohl immer mitgefahren, der lässt sein Schiff nicht allein – nie! Aber er arbeitet eben nur dann an unserem Schiff, wenn wir dies ihm gestatten.
Und wenn er dann so ein paar morsche Planken auswechseln muss, kann das ganz schön weh tun.
Dieser Baumeister wird sicher dazu führen, dass wir uns mit unserem Dunkel auseinandersetzen müssen.
Aber dazu sind wir ja in den Hafen der Fastenzeit eingefahren... Wir sollen uns mit unseren Dunkelheiten, mit unseren Ängsten, mit unserem inneren Hunger, mit unserer Sehnsucht... ja mit dem, was in uns krank, abgestorben, vielleicht sogar schon ganz tot ist, auseinandersetzen – ja auch mit der „Leiche im Keller“.
Dann werden wir mit Jesus zum Karfreitag gehen können, wir werden ihn in seinen und unseren Schmerzen, Ängsten begleiten. Und wenn er den Tod durchschreitet,
kann er uns an Ostern zurufen:
Auf, Anker lichten, ich lade dich ein zum Abenteuer Leben! Ich lade dich ein zu einem vollen, schönen reifen Leben mit mir!
Klagen und Gefühle fließen lassen... Was ist daran hilfreich?
Sonntag, 20. Oktober 2019, Michaelskirche
Gast: Prälat i.R. Martin Klumpp
Musik: inside-out
Weinen, jammern, schreien, klagen,....Immer wieder erinnern uns Menschen der Bibel daran, unsere Gefühle fließen zu lassen.
Da ist z.B. Maria Magdalena: „Sie stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sah zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den anderen zu Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Und die sprachen zu ihr: Frau was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“
„Typisch Frau!“, könnte man sagen „weint eben schnell.“, aber die Bibel widerlegt dieses Argument an vielen Stellen.
Da ist z.B. Esau. Er ist wütend und traurig und ohnmächtig zugleich. Er wurde von seinem Bruder Jakob um das Erbe betrogen. Unwiderruflich. Er klagt vor seinem Vater. „Hast du denn nur einen Segen, mein Vater? Segne mich auch, mein Vater! Und er
erhob seine Stimme und weinte.“ Und auch Jakob selbst, der Stammvaters Israels, der dann vor dem Zorn seines Bruders fliehen muss und im Exil seine Verwandtschaft
kennenlernt, ist von seinen Gefühlen überwältig und lässt sie fließen: „Als Jakob aber Rahel sah, die Tochter Labans, des Bruders seiner Mutter trat er hinzu und ... und tränkte die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter. Und er küsste Rahel und weinte laut und sagte ihr, dass er ihres Vaters Verwandter wäre und Rebekkas Sohn.“
Jakobs Sohn Josef steht seinem Vater nicht nach. Nach einem Familienkonflikt, in
dessen Folge er als Sklave nach Ägypten verkauft worden war, kommt es zu einem
unerwarteten Wiedersehen mit seinen Brüdern. Als Josef seinen jüngsten Bruder, den Benjamin, wiedersieht und er sich doch noch nicht zu erkennen geben wollte, ging Josef „hinaus aus dem Raum, denn sein Herz entbrannte ihm für seinen Bruder, und er suchte, wo er weinen könnte, und ging in seine Kammer und weinte daselbst.“
Und später, als sich Josef dann doch seinen Brüdern zu erkennen gibt: „fiel er seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte, und Benjamin weinte auch an seinem Halse.“
Hiob und die Psalmbeter weinen und klagen Gott sogar persönlich an: „Mein Gott, mein Gott! Warum hast du mich verlassen?“. Da hören wir auch Jesus am Kreuz.
Freudentränen, Tränen des Schmerzes und der Trauer. Gefühle wollen fließen und die genannten Menschen können das ohne Scheu zulassen. Es ist heilsam für sie. Es hält sie lebendig.
Vom berühmten König David, dem Streiter und Krieger, ist auch seine Trauer über
liefert, als sein Sohn stirbt. Als er von der Todesnachricht hört, heißt es: „Da erbebte
der König und ging hinauf in das Obergemacht des Tors und weinte, und im Gehen rief er: Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“
Klagen und Gefühle fließen lassen. Für die Menschen in der Bibel selbstverständlich. Uns wundert es vielleicht, dass hier zudem vor allem Männer genannt werden.
Aber für die Bibel war das Zulassen der Gefühle kein „Schwachsein“, sondern eher das Gegenteil: Lebendig sein, vital sein, präsent sein, mit dem Geschehen in Beziehung sein, die Kraftquellen nicht zuschütten.
Für Frauen: Ganz weiblich sein. Für Männer: Ganz männlich sein.
Wir freuen uns, dass wir für dieses Thema unseren Altprälaten Martin Klumpp ge
winnen konnten. Er begleitet schon viele Jahre lang Trauernde seelsorgerisch in Einzelgesprächen und in Zusammenarbeit mit Therapeuten in Trauerbegleitungsgruppen.
Joachim Wolfer und Carmen Strölin
Thema: "Beten"
Sonntag, 31. März 2019, 18.00 Uhr, Michaelskirche
Gast: Prof. Dr. Siegfried Zimmer
Musik: inside-out
Beten ist immer wieder eine Provokation.
Dem Beter wird gerne unterstellt, er flüchte sich aus einem aktiven Leben in die Stille und ins Nichtstun.
Bisweilen wird ihm auch nachgesagt, er wolle die Sorge um das Leben und seine eigene Verantwortung auf die leichte Schulter nehmen und bei Gott abladen.
Beten ist Provokation manchmal auch gegenüber unserem eigenen Verstand.
Beten gilt als kindlich, kindisch, naiv. Reden mit einem Wesen, das nicht antwortet. Seltsam.
Und doch bekennen sich in Umfragen erstaunlich viele Menschen zum Beten. Auch gibt es immer wieder kluge Köpfe, die sich Gedanken machen. Um das Gebet.
Beten, so sagen zum Beispiel die Religions-
wissenschaftler, sei ein Menschheitsbrauch. In allen heiligen Büchern sämtlicher Religionen sei das Beten einfach da und immer dagewesen. Und in Notzeiten, so argumentieren die Wissenschaftler, greife der Mensch eben gern auf alte Traditionen zurück.
Beten, so meinen die Psychologen, sei ein therapeutisches Selbstgespräch. Es helfe dabei, sich zu sortieren und in schwierigen Phasen nicht in Verzweiflung zu versinken. Das Gebet verändere also nicht die Welt für den betenden Menschen, sondern den betenden Menschen für die Welt.
Beten, so erfahren die Mönche, sei der Weg in den Raum in uns selbst, in dem Gott wohne. Durch Schweigen und Beten gelangen wir an diesen inneren Ort, an dem wir Gott begegnen und auf diese Weise verwandelt werden.
Für Jesus ist Beten selbstverständlich. Jesus macht uns Mut, es einfach zu tun. Wenn Jesus Menschen auffordert, sich beim Beten ins „stille Ksollen. Er meint damit, dass das Gebet der erste Ort der Freiheit eines Menschen ist und zugleich auch letzter Ort
sollen. Er meint damit, dass das Gebet der erste Ort der Freiheit eines Menschen ist und zugleich auch letzter Ort seiner Freiheit. Wir klagen, wir fragen, wir zweifeln, wir staunen, wir loben, wir danken .... Wir äußern uns mit der ganzen Fülle unserer menschlichen Regungen im Vertrauen darauf, dass uns ein Gegenüber wirklich hört und antwortet. Und so manch eine/r von uns hat im Gebet schon Trost und Halt gefunden
oder im Fürbittengebet einen nahestehenden Menschen Gott anvertraut. Das Geheimnis des Gebets zieht uns gerade in Ausnahmesituationen immer wieder an.
All die oben angeführten Antworten versuchen, diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, etwas davon zu begreifen und zu erfassen.
Wir dürfen gespannt sein, auf welche Weise sich der mitreißende Redner Prof. Dr. Siegfried Zimmer am 31. März in unserem Einblicke-Ausblicke Gottesdienst in seiner Rede dem Beten nähern wird.
Pfarrer Joachim Wolfer mit Team
"Was gibt mir Halt?"Unser Umgang mit Demenz und was uns diese Krankheit zeigen kann.
21. Oktober 2018, 18.00 Uhr, Michaelskirche
Gäste: Prof. Dr. Manfred Schnabel (Ludwigsburg) und Prof. J. Thomas Hörnig (Ludwigsburg)
Musik: inside-out
„Demenz ist nicht lustig. Nein fürwahr nicht. Demenz ist ein böses Wort, denn es heißt so viel wie „ohne Geist“ (lat. de-mentis) („ohne Geist)“, schreibt J. Thomas Hörnig. Er ist Professor für Evangelische Theologie und Diakoniewissenschaft an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg. Gemeinsam mit seinem Kollegen, Professor Manfred Schnabel, sind beide in unserem Gottesdienst zu Gast.
Beide wissen, wenn ein Mensch an Demenz erkrankt und sich dadurch seine Persönlichkeit verändert, dann ist das für pflegende Angehörige schwer mitzuerleben und bisweilen kaum zu ertragen. Häufig schämen sie sich und fühlen sich überfordert. Dabei werden bis 2050 drei Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland erwartet. Das ist beileibe keine Randerscheinung mehr. Und je älter wir werden, desto wahrscheinlicher erkranken wir an Demenz. Denn sie ist immer noch hauptsächlich eine Alterskrankheit. Wie bei allen Krankheiten, die nicht zu heilen sind, werden die Betroffenen, aber auch ihre Angehörigen mit vielen Fragen konfrontiert: Woran kann ich mich orientieren? Wie kann ich damit umgehen, dass ich mir selbst fremd werde? Wie kann ich es einordnen, dass ich die Persönlichkeit meines Vaters/meiner Mutter etc. nicht mehr erkenne? Ist der Mensch nur eine Ansammlung von – nun kranken – Gehirnzellen und hat keine Seele, keinen Geist mehr?
J. Thomas Hörnig schreibt weiter: „Demenz ist für die Betroffenen selbst zunächst ein von Angst bestimmtes Leben. Sie haben den Eindruck, dass mit ihnen etwas nicht stimmt oder noch grundsätzlicher den Eindruck: „Ich stimme nicht“. Alles verändert sich. Meine Orientierung. Mein Gedächtnis. Mein Körper. Meine Schrift.... Beginnende Demenz kommt häufig mit Depression daher. Dementiell erkrankte Menschen können nicht (mehr) lügen. Aber sie können riechen, sich also z.B. in einem klar strukturierten Demenzgarten orientieren und wohlfühlen (vgl. Angela Rinn, 2018). Und einen Sinn für das Heilige wie für Gefühle bewahren ...“
Bleibt also – trotz vieler Einschränkungen – ein Fünkchen dessen, was wir im Menschen als Geist oder Seele bezeichnen? Bleibt also doch noch ein dünner Faden hin zum Spirituellen, zum Geistlichen? Und was bedeutet dies für die Betroffenen und Angehörigen?
Entlang an diesen Fragen wollen wir in unserem einblicke-ausblicke Gottesdienst mit den Professoren Manfred Schnabel und J. Thomas Hörnig in ein ermutigendes und aufrichtiges Gespräch über Demenz kommen.
Joachim Wolfer
einblicke ausblicke Gottesdienst am Sonntag, 25. Februar 2018
"Mein Traum von Kirche"
Im Gespräch mit Prälatin Gabriele Arnold, Stuttgart
„Das ist spannend, ja, da sage ich sofort zu“, war Gabriele Arnolds spontane Antwort auf unsere Frage und Bitte, zu diesem Thema „Mein Traum von Kirche“ unser Gast zu sein. Gabriele Arnold ist seit dem 1. Advent 2016 Prälatin, also Leiterin für eine halbe Million Christinnen und Christen in der multikulturellen Industriemetropole Mittlerer Neckar. Sie versteht ihr Kirchenamt nicht als Verwalterin des Bestehenden. Immer wieder gibt sie ihrer Kirche und ihren Mitchristen ermutigende, manchmal auch unbequeme Impulse. Was treibt sie dabei an, wohin möchte sie ihre Kirche bewegen, was ist ihr Traum von Kirche? Eine interessante Begegnung mit unserer Prälatin.
einblicke ausblicke Gottesdienst am Sonntag, 15. Oktober 2017
"Was macht mich innerlich wirklich frei?"
im Gespräch mit Kirchenrätin Dr. Christiane Kohler-Weiß über Luthers Freiheitsverständnis.
Unseren Gottesdienst feierten wir mit Kirchenrätin Dr. Christiane Kohler-Weiß, der Beauftragte für das Reformationsjubiläum in der Evangelischen Landeskirche ist. Sie ist zugleich die Herausgeberin von Luthers Freiheitsschrift in Leichter Sprache.
Einige Fragen in unserer Vorbereitung an Christiane Kohler-Weiß
Was fasziniert Sie heute noch an Luthers Freiheitsschrift, die in unserm Gottesdienst im Mittelpunkt stehen wird?
Aus der ganzen Schrift weht mir der Geist der Freiheit entgegen, von dem Luther bewegt war. Der Text ist getränkt von Dankbarkeit, Freude und Liebe. Hinzu kommen scharf-sinnige Argumentationen und eine wunderbare Sprache.
Haben Sie schon einmal mit Ihren Kindern über Luthers Thesen aus der Freiheits-schrift diskutiert?
Ich habe jedem meiner Kinder – und Patenkinder! – die Ausgabe von Luthers Schrift in Leichter Sprache geschenkt, aber gelesen hat es vermutlich keines. Meine Kinder haben den Freiheitsdrang aller jungen Menschen. Und sie wissen, dass Freiheit und Verantwor-tung zusammengehören. Das hat durchaus mit Luther zu tun.
Luthers Thesen provozieren heute noch:
„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan.“
Kann Luther diesen Widerspruch auflösen?
Er schon. Die Frage ist, ob wir diesen Widerspruch auflösen können.
Ist die Seele wirklich frei, von äußeren Anfechtungen, wie Hunger und Durst, Gesund-heit oder Krankheit, wie Luther das behauptet?
Natürlich ist sie das nicht. Die Psyche leidet mit, wenn es dem Leib schlecht geht. Aber es gibt einen Kern meiner Person, der bei Gott geborgen ist. Das kann ein großer Trost sein, gerade wenn man krank ist oder Opfer von Gewalt wurde.
einblicke-ausblicke Gottesdienst am Sonntag, 2. April 2017
„Versprochen ist versprochen.“
Martin Luthers reformatorische Entdeckung für Menschen unserer Zeit neu entdeckt.
Unser Gast: Professor Siegfried Zimmer
Musik: inside-out feat. Jenny Sprenger-Müller
Die wichtigsten Veränderungen in unserem Leben beginnen bei uns selbst.
Für die Menschen des 16. Jahrhunderts war diese These Martin Luthers neu und faszinierend, ja geradezu erleichternd und befreiend. Nicht in dem, was wir äußerlich schaffen, leisten und bewerkstelligen, nicht in unserem gesellschaftlichen Erfolg können wir Frieden und Heil finden, sondern in uns, in unserem Inneren. Ich habe dafür kein besseres Wort als das alte Wort: in unserer Seele. Die wichtigsten Veränderungen in unserem Leben nehmen ihren Anfang in unserer Seele. Diese Behauptung ist schon eine Richtungsentscheidung. Denn es gibt auch andere Behauptungen, die viele Anhänger gefunden haben: Die wichtigsten Veränderungen in unserem Leben könnten wir durch äußerliche Anstrengungen und Übungen erzwingen oder einfach mit Geld einkaufen.
Martin Luther hat in diesem Widerstreit eine bahnbrechende Entdeckung gemacht. Eine, die nicht nur sein Leben, sondern seine Kirche und mit ihr die geistigen und die gesellschaftlichen Landschaften in ganz Europa verändert hat. Der Zuspruch Jesu – „du bist geliebt“, „du bist in meinen Augen vollkommen und würdig,“ „du bist ein himmlisches Kind“ – dieser Zuspruch allein, hineingesprochen in unsere Seele, vermochte sein Leben von innen her völlig zu verändern und aus Zwängen zu befreien. Er konnte nun so etwas wie Frieden mit sich selbst und Gott empfinden – ein Zustand, nach dem sich viele Menschen sehnen.
In seinem Vortrag erläuterte Professor Siegfried Zimmer, welche Bedeutung diese reformatorische Entdeckung Martin Luthers auch für uns Menschen des 21. Jahrhunderts haben kann.
Carmen Strölin, Joachim Wolfer
einblicke-ausblicke Gottesdienst am Sonntag, 23. Oktober 2016
"Liebe deinen Nächsten - Ohne Grenzen?"
Wie sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit unsere Welt tatsächlich besser macht.
Gast: Jürgen Hammelehle, „Brot für die Welt“, Berlin
Musik: inside-out feat. Jenny Müller-Sprenger
Was wir in diesem Jahr mit Schrecken jetzt in unserer Heimat erleben, lässt sich nicht durch Mauern oder Zäune oder noch engere Sicherheitskonzepte wirklich eingrenzen. Wir erleben, dass die weltweite Verflechtung, von der bisher vor allem der reiche Norden profitiert hat, mit ihren dunklen Seiten auch bei uns angekommen ist. Und es gibt kein einfaches zurück.
Aber können und wollen wir uns umgekehrt dafür einsetzen, dass unsere gesellschaftlichen und geistigen Strukturen, die für uns selbst bisher so hilfreich waren, nicht an Europas Grenzen Halt machen, sondern weitergetragen werden? Ist das noch ein Lösungsansatz – quasi „Europa“ zu den Menschen außerhalb Europas bringen, damit nicht die Menschen mit all ihren Lebenshoffnungen nach Europa kommen müssen?
Ob dies realistische oder neokolonialistische Gedanken sind, darüber möchten wir in diesem Gottesdienst mit Jürgen Hammelehle von „Brot für die Welt“ ins Gespräch kommen. Und wie hilft Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich?
Jürgen Hammelehle ist schon viele Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und hat eine realistische Sicht auf das Miteinander in dieser komplexen Welt. Im Gottesdienst werden sich auch Mitarbeiter des EineWeltladens Wangen beteiligen, die sich schon viele Jahre für ein gerechtes Miteinander im ganz normalen Alltag, nämlich beim täglichen Einkauf einsetzen.
Musikalisch begleitet wird der Gottesdienst von der band „inside-out“ mit ihrer neuen Gospel- und Soulstimme Jenny Müller-Sprenger.
Pfarrer Joachim Wolfer
einblicke-ausblicke Gottesdienst am Sonntag, 6. März 2016
„Ohne Vergebung können wir nicht leben".
Gast: Altprälat Martin Klumpp
Musikalische Begleitung: Band inside-out.
Jeder schaut mich verdutzt an, wenn ich ihm das Thema des neuen einblicke-ausblicke Gottesdienstes nenne. Dabei sind die Bitte einander zu vergeben und das riesengroße Glück, aus der Vergebung leben zu dürfen, ganz zentrale Erfahrungen im christlichen Glauben. Wir beten doch im Gebet Jesu: „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern"? Und Paulus meint, wir erfüllen Jesu Gesetz, wenn wir einander die Lasten – gemeint ist unsere Schuld – tragen. Der christliche Glaube wird oft als ein Glaube missverstanden, der die Menschen immer wieder klein mache, weil er von ihrer Sünde und Schuld spreche. Aber das ist falsch.: Wir glauben an die Vergebung der Sünden. Und das ist im Grunde genau das Gegenteil, denn das richtet auf.
Oder sind viele Leute deshalb verdutzt, weil „vergeben" gar nicht mehr in unserem Leben vorkommt? Sollte das aber so sein, wären wir entweder perfekt geworden, oder wir lebten in einer Welt, in der wir Schuld verdrängen und uns so tatsächlich immer mehr in Schuld verstricken. Könnte das auch ein Grund für zunehmende Depressionen unter uns sein? Wie aber kann ich anderen vergeben ohne selbst um Vergebung zu bitten?
Wie geht das, wenn die anderen, die mich verletzt haben uneinsichtig bleiben oder einfach darüber lachen? Oder was ist, wenn ich mich nicht getraue, um Vergebung zu bitten, weil ich befürchte, dass meine Schuld zu groß ist? Gut, dass uns im Gottesdienst Altprälat Martin Klumpp, ein erfahrener Seelsorger, eine Schneise schlagen und uns wichtige Impulse zum Thema „Vergeben“ geben wird.
Der Gottesdienst wird wie immer musikalisch begleitet von der Band inside-out. Mit der Band singt in diesem Gottesdienst Jenny Sprenger-Müller. Sie arbeitet als Gesangs Coach beim Jugendtheater mit der Freien Bühne Stuttgart, singt in einer Big Band und seit 8 Jahren im „Go Vocal Gospelchor".
Joachim Wolfer
Fluchtursachen weltweit
„Niemand flieht ohne Grund“ – Flucht und ihre Ursachen;
Gast: Ann-Kathrin Hartter, Referentin Internationale Diakonie an der Landesstelle Brot für die Welt, Stuttgart
Musikalische Begleitung: Band inside-out
Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Verfolgung, Armut und Krieg zwingen sie dazu. Die Vertreibung der Menschen aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien ist momentan in Deutschland und Europa durch die hier ankommenden Flüchtlinge sehr präsent und nachvollziehbar.
Aber welche Gründe bewegen Menschen aus anderen Ländern und Regionen – wie Afrika oder Asien – dazu, ihre Heimat zu verlassen? Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Ein Mensch verlässt seine Heimat in der Hoffnung auf ein besseres Leben, egal ob es innerhalb des Landes ist oder in die Ferne geht. Was treibt ihn an, sich auf diese schutzlose Reise zu begeben und vielleicht nie mehr zurückzukehren? Welchen Einfluss/welche Rolle haben wir als Gesellschaft und als Christen gegenüber den Mitmenschen weltweit und gegenüber Gottes Schöpfung?
Diese Aspekte wurden im Gottesdienst angesprochen und diskutiert und dabei wurde auch auf die Situation der Flüchtlinge vor Ort eingegangen.
einblicke-ausblicke Gottesdienst vom 15.10.2015
„Das Eigene und das Fremde.“
Wie ein Miteinander gelingen kann
Gast: Doris Sommermeyer, Analytische Psychologin
Musikalische Begleitung: Band inside-out.
Dazu schrieb Pfarrer Wolfer folgenden Artikel im Gemeindebrief (März-Michel 2015):
Liebe Gemeinde,
„das Eigene und das Fremde“. Unter diesem Titel feiern wir am 15. März einen einblicke-ausblicke-Gottesdienst mit Doris Sommermeyer aus Stuttgart. Sie ist als analytische Psychotherapeutin auch in der Kirchlichen Beratungsstelle in Stuttgart tätig. Die Idee zu diesem Thema hatten wir nicht erst seit den jüngsten Ereignissen in Paris. Schon seit längerem bewegt mich selbst die Frage, wie ich in unserer bunten, aber auch widersprüchlichen Gesellschaft meinem eigenen Selbstverständnis treu bleiben kann – ohne mich abzukapseln und trotzdem offen zu sein für Veränderungen.
Als Vater von zwei Söhnen, die unseren Evangelischen Kindergarten und die
Wilhelmsschule besucht haben und besuchen, gab und gibt es dabei immer wieder ganz konkrete Anlässe. Können wir Eltern uns beim Elternabend darauf einigen, wie wir mit Computerspielen oder den Handys umgehen wollen? Brauchen denn Viertklässler schon ein Touchscreen-Handy? Schnell musste ich feststellen, dass wir Eltern darüber gar keinen Konsens mehr schaffen konnten. Ein Bildungsprob-lem? Die Religionen erlebe ich nur als einen Teil der Buntheit und Verschiedenheit in Wangen. In wie viele Milieus mit ihren unterschiedlichen Wertvorstellungen ist Wangen inzwischen aufgegliedert? Jeder nach seiner Façon. Zugegeben, auch ich selbst suche persönliche Freiheit und muss mir eingestehen, dass auch ich anderen fremd und unverständlich bin. Aber wie viel auseinanderstrebender Individualismus kann unsere Gesellschaft noch verkraften, ohne auseinander zu brechen? Wir nehmen folgerichtig wahr, dass unser Zusammenleben immer mehr über geschriebene Gesetze geregelt wird, weil wir uns kaum noch auf einen freiwilligen gemeinsamen Ethos, wie etwa die 10 Gebote, verlassen können. Immer mehr individuelle Freiheit hat auch ihren Preis. Wenn Kirchenmitglieder aus ihrer Kirche austreten – in welche Freiheiten eigentlich? – gibt mir das immer wieder einen Stich.
Nun wird diese Frage nach dem Eigenen und dem Fremden seit den Terrorakten in Paris unter „Allah u Akbar“ Rufen noch weiter gesteigert. Ob dies nicht ein Beleg dafür sei, dass das Fremde nicht nur fremd und unheimlich bleibe, sondern mehr und mehr zum Feind werde? Dagegen wehre ich mich.
Seit einigen Jahren sind wir als Kirchengemeinde Mitglied im „Haus Abraham e.V.“ und machen in diesem Rahmen hoffnungsvolle Erfahrungen. Letztes Jahr nahm eine kleine Delegation unserer Kirchengemeinde beim Fastenbrechen in der bosnischen Moschee in der Kesselstraße teil. Wir wurden als Christen freundlichst begrüßt und haben unsererseits freundliche Grüße überbracht. Auch gab es ein gegenseitiges Hören auf die Bedeutung des Fastens in den drei Religionen Judentum, Christentum und Islam. Wir sind schon dabei, miteinander zu reden. Das müssen wir verstärken. Welche Rolle spielt Mohammed, der Feldherr im Islam? Kann der Islam die Scharia doch reformieren? Kann der Koran auch historisch-kritisch gelesen werden, wie wir Christen dies mit der Bibel schon lange praktizieren? Es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Wir dürfen den Dialog nicht abbrechen lassen.
Ich glaube, dass wir als Christen in dieser Gesellschaft noch eine wichtige Rolle spielen werden. Nämlich bei der Frage, was uns Menschen trotz aller Buntheit und allem Eigenen zusammenhält. Wir sehen keine drei Götter im Himmel, sondern nur einen. Und Jesus hat uns gelehrt, dass dieser eine Gott uns Menschen zuallererst als seine Kinder sieht, nicht als Gläubige und Ungläubige. Ich empfinde dies nicht als meinen persönlichen Glauben, sondern als eine spirituelle Wahrheit für alle Welt – egal, wie wir uns selbst im hier und jetzt in Eigenes oder Fremdes einteilen und unterteilen.
Ihr Joachim Wolfer, Pfarrer
einblicke-ausblicke Gottesdienst am 16. März 2014
„Wir glauben nicht für uns allein.“
Im Verein „Haus Abraham e.V.“ sprechen Juden, Christen und Muslime miteinander von ihrem Glauben. Tolerant, verständlich und gleichberechtigt.
Claudia Marx Rosenstein ist in Sao Paulo aufgewachsen. Ihre Großeltern konnten als Juden noch rechtzeitig aus Nazideutschland fliehen.
In der brasilianischen Metropole fanden sie Zuflucht und eine neue Heimat und schließlich auch die Nähe zu einer jüdischen Gemeinde. Seit 2001 lebt nun Claudia Marx Rosenstein mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Stuttgart. Was für die junge Familie eigentlich nur ein Aufenthalt auf Zeit sein sollte, wurde ein zweiter Lebensabschnitt.
Die Rosensteins fassen Fuß in der alten Heimat ihrer Großeltern, sind dort auch in der jüdischen Gemeinde, der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, integriert.
Claudia Rosenstein gestaltet ihren zweiten Lebensabschnitt in Stuttgart auf eine besondere Weise. Fest beheimatet in ihrem jüdischen Glauben, engagiert sie sich für den interreligiösen Dialog: Den Dialog oder besser Trialog zwischen dem Judentum, dem Christentum und dem Islam.
Als Mitarbeiterin im Verein „Haus Abraham e.V.“ in Stuttgart, setzt sie sich dafür ein, dass sich Gläubige der monotheistischen Religionen auf Augenhöhe begegnen und sich einander von ihrem Glauben erzählen.
Neben den Veranstaltungen und Begegnungen in Moscheen, Kirchen oder Synagogen kümmert sich das Haus Abraham derzeit auch um ein Projekt mit der Montessori-Grundschule in Stuttgart-Hausen. „Am Ende des Projekts wollen wir mit den Schülern, Eltern und Lehrern eine interreligiöse Feier organisieren“, sagt Rosenstein, die seit einem Dreivierteljahr die Schule besucht.
„Der Prozess ist sehr spannend, denn es geht wirklich darum, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen, zu lernen, wie jeder zu seiner Religion steht und was die eigene Identität ist“, sagt Rosenstein.
„Viele Christen, Juden und Muslime haben es hierzulande lange Zeit versäumt, sich miteinander zu befassen. Es gibt keine Feindschaft zwischen ihnen, aber eben auch keine Freundschaft“, sagt der ehemalige Oberkirchenrat Heiner Küenzlen. „Man lebt nebeneinander her.“
Das Haus Abraham, entstanden aus Freundschaften und persönlichen Beziehungen, wollte bei seiner Gründung 2009 genau dies ändern. Das Ziel war und ist, den Dialog miteinander anzuregen.
Ein weites Haus tut sich auf. Das Haus Abrahams. Eine alte Geschichte (1. Mose 18) erzählt von Abraham, wie er drei Fremde zu sich ins Zelt einlädt, seine Gäste zu sein. Man brachte diesen Fremden Wasser, ihre Füße zu waschen und Abraham ließ seine Gäste sich niedersetzen unter dem Baum.
Dann teilte er mit ihnen ein eigens zubereitetes Gastmahl. „Sein Haus“, schreibt Bin-Gorion, „stand allen Menschenkindern offen, den Vorbeiziehenden, den Heimkehrenden, und Tag für Tag kamen welche, um bei Abraham zu essen und zu trinken.
Wer hungrig war, dem gab er Brot, wer nackend in seine Haus kam, den hüllte er in Kleider und ließ ihn von Gott erfahren, dem Schöpfer aller Dinge.“ Abraham ist für alle drei monotheistischen Religionen eine wichtige Person. Er ist nicht nur leiblicher Stammvater des jüdischen Volkes und der Muslime. Für den Apostel Paulus ist Abraham auch geistlicher Vater der Christen.
In dieser Tradition steht das „Haus Abraham e.V.“ Es öffnet sich der Horizont einer bunten Gesellschaft, in der sich die Gläubigen verschiedener Religionen mit Respekt und Neugierde begegnen. Es ist schließlich auch der Horizont einer Gesellschaft, die die Religionen nicht verdrängt, weil sie vermeintlichen Unfrieden säen, sondern schätzt als Friedensstifter, als Mitarbeiter an einer guten Hausgemeinschaft der Menschen.
Diese Vision hat auch unseren Kirchengemeinderat in Stuttgart-Wangen im Herbst 2012 angesprochen, im „Haus Abraham e.V.“ Mitglied zu werden.
Claudia Marx Rosenstein, die Leiterin der Geschäftsstelle, erzählt im einblicke-ausblicke Gottesdienst von ihrem Leben, vom Verein Haus Abraham und ihren persönlichen Motiven, dabei zu sein und sich einzubringen.
Joachim Wolfer
Gefangen und doch frei?! 27. Oktober 2013
Artikel im Gemeindebrief zu diesem Gottesdienst:
Zu Besuch in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart
Die Zelle misst etwa eineinhalb Meter in der Breite und fünf Meter in der Länge. Gleich an der Zellentüre links hängen eine Toilettenschüssel und ein kleines Waschbecken an der Wand. Vom anderen Ende kommt Licht herein, das Fenster ist nicht mit Gitter, sondern mit einer Art Lochblech gesichert. In der Ferne sehe ich Weinberge vom Remstal. Drei Möbel stehen in dieser Zelle: ein aus orangefarbenem Hartkunststoff gegossenes Bettgestell mit einer dünnen Schaumstoffmatratze, eine kleiner Tisch mit einem Minifernseher und ein offener Spind aus demselben Kunststoffmaterial. Er ist mit Edding beschrieben.
Ich stehe in einer leeren Gefängniszelle in der JVA Stuttgart. Alle Zellen sehen gleich aus, erzählt uns Pfarrer Hans-Ulrich Agster. Er ist seit 2007 evangelischer Gefängnisseelsorger in „Stammheim“. Er hat uns eingeladen. Ursula Maier und mich. Denn wir wollen mit ihm in der Michaelskirche in Wangen den einblicke-ausblicke Gottesdienst feiern. „Gefangen und doch frei!?“ So wagemutig wollen wir unseren Gottesdienst nennen. Aber jetzt überkommen mich doch ganz beklemmende Gefühle. Ganz unfrei fühle ich mich. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich hier nicht durchdrehen müsste, wenn ich Tage, Monate oder gar Jahre in einer solchen Zelle eingesperrt wäre.
Es ist gerade 11 Uhr und im Gefängnisgang wird Zelle nach Zelle auf und wieder abgeschlossen. Die Gefangenen treten einzeln heraus. Mit einem Blechnapf. Sie bekommen ihr Mittagessen. Dann wird wieder abgeschlossen. Essen muss jeder alleine in seiner Zelle. 2,50 Euro gibt die JVA fürs Essen pro Tag und Häftling aus. Die Haftbedingungen sind besonders streng, denn Stammheim ist vor allem Untersuchungshaft. Da soll der Häftling so wenig wie möglich mit anderen sprechen können, denn sein Gerichtstermin steht ja noch vor ihm.
Als Hans-Ulrich Agster im Jahr 2007 vom Evangelischen Oberkirchenrat diese Stelle angeboten bekam, hat er nicht lange überlegt. Mit Stammheim verband er zuerst die Geschichte der RAF. Aber seit er dort täglich ein und aus ging, merkte er schnell, im Alltag spielt diese Geschichte dort keine Rolle mehr.
Die Gefangenen beschäftigen andere Themen. Wie kann ich im Knast überleben? Was passiert mit mir da? Fast rund um die Uhr eingesperrt sein, das führt die Menschen in eine Extremsituation. Sie werden auf sich selbst zurückgeworfen. Angst und Unsicherheit begleitet sie, Wut und immer wieder auch Scham über das eigene schuldig werden. Kein Wunder, dass dabei auch religiöse Fragen aufbrechen. „Not lehrt beten“, erlebt Hans-Ulrich Agster immer wieder hier. Aber diese Weisheit klingt anders hier, ist keine Floskel.
Wie auch Lieder aus dem evangelischen Gesangbuch hier im Gottesdienst anders klingen. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit...“ oder ein Psalmwort: „Der Herr führt die 3 Gefangenen frei.“
Es ist unserem Grundgesetz zu verdanken, dem vierten Artikel, „Jeder hat ein Recht auf freie Religionsausübung“, dass Pfarrer Hans-Ulrich Agster hier seinen Dienst tut. Und Kirche ist hier im Gefängnis immer wieder wie ein offener Himmel. An der Wand im Büro des Seelsorgers hängt ein von einem Gefangenen gemaltes Bild.
Es zeigt den Gottesdienstraum des Gefängnisses mit einer aufgebrochenen Decke. Darüber leuchtet der Himmel. Dabei sei es nicht einmal sein Lieblingsbild, meint Hans-Ulrich Agster. Es ist ein anderes, das denselben Gottesdienstraum voll bunt gekleideter Häftlinge zeigt. Etwa 80 Männer feiern regelmäßig die Gottesdienste mit. „Ich muss frei sprechen, ich muss die Männer anschauen können, damit ich spüre, was unter ihnen beim Zuhören vor sich geht und wie ich sie erreiche“ unterstreicht Hans-Ulrich Agster. Und immer wieder gelingt ein Moment der Freiheit. Auch beim Brot teilen.
Hans-Ulrich Agster hat als Pfarrer ein großes Privileg. Sein Beichtgeheimnis schafft Vertrauen. Ein offenes Ohr zu haben für jeden, der ihn sprechen will, ohne sich dabei gemein zu machen, ist ihm ganz wichtig. Wir fragen ihn: „Was ist anders hier als draußen in der scheinbaren Freiheit?“ Seine Antwort: „Wir haben draußen so viele Fassaden. Hier im Gefängnis muss man nicht herumlabern, man kann direkt sprechen, schnörkellos. Und man hat hier eine ganz andere Betroffenheit.
„Schreibt uns nicht ab, gebt uns ’ne Chance.“ Denn die Formel „draußen seien die Guten, drinnen die Bösen“ das funktioniere nicht. Die „Freien“ und die „Gefangenen“ haben mehr, was ihnen gemeinsam sei, als was sie trenne. Und weiter gibt Hans-Ulrich Agster zu bedenken: Nehmen wir Christen ernst, was Jesus Christus spricht? „ Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“ Dann können Christen Gefangene nicht abschreiben und vergessen, denn sie vergäßen Jesus selbst.
Joachim Wolfer